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Interview Tom Maccarthy

Wie ist Ihnen die Idee zu Ihrem Roman gekommen? Ich war auf einer Party schon ziemlich geistesabwesend und hatte einen Déjà-vu-Moment. Ich sah einen Riss in der Wand des Badzimmers und erinnerte mich schwach daran, bereits einmal in einem ähnlichen Raum gewesen zu sein. Ich erinnerte mich an dieses Erinnern, und an Katzen auf dem Dach und an Klaviermusik, die dazu spielte, und an den Geruch von Leber. Es war wahrscheinlich keine wirkliche Erinnerung, aber ich dachte: „Wäre es nicht toll, wenn du alles Geld der Welt hättest, um halb erinnerte Dinge zu rekonstruieren? Und wo würdest du dann aufhören? Warum nicht einen Banküberfall nachstellen und Leute erschießen lassen? Würden die tatsächlich erschossen oder wäre das dann nur eine Simulation?”

Die Figur erschafft und formt Dinge, wie ein Künstler es tut. Eine der ersten Rezensionen sagte, es sei eine Allegorie darauf, Künstler zu sein, ein Schriftsteller. Ich erwähnte das gegenüber einem Freund und er sagte: „Das ist total falsch. Wenn der Held des Buches ein Künstler wäre, dann wäre das gesamte Buch vollkommen alltäglich.“ Ich glaube, es ist ziemlich wichtig, dass das, was mein Held da macht, keinen Namen hat. Das liegt irgendwo zwischen Kunst und Verbrechen und einem religiös-kultischem Vorgang und reiner Gewalt. Ich hoffe, dass es deshalb fesselnd ist, weil es exzessiv ist. An einer Stelle beschreibt er sich und seinen Anhang als Mitglieder eines Kultes, deren Heilsbringer bisher noch gar nicht in Erscheinung getreten ist. Sie wissen noch gar nicht, woran sie da glauben, aber sie glauben leidenschaftlich daran und würden dafür auch töten.

Die Veröffentlichung Ihres Romans ist eine Geschichte für sich. Ich habe den Roman 2001 beendet, und er wurde 2005 veröffentlicht. Es hat ungefähr drei Jahre gedauert, einen Verlag zu finden. Zuerst wurde er in einer sehr kleinen Auflage von 750 Exemplaren von einem Pariser Verlag namens Metronome Press herausgegeben, auf Englisch als eine Art Kunstprojekt, das durch Galerien und Kunstbuchläden auf den Markt kam. Und selbst als das Buch die Aufmerksamkeit der etablierten Presse bekam, wollten die Herausgeber es nicht auf dem üblichen Weg vermarkten. Dann hat der Chef von Vintage in New York entschieden, eine Ausgabe für den Massenmarkt daraus zu machen, und ein unabhängiger britischer Verlag hat ungefähr zur gleichen Zeit dasselbe getan. Ich war hocherfreut, wie sich das alles ergeben hat.

Hatten Sie je gedacht, dass Ihr Roman als Film adaptiert werden würde? Ich dachte immer, dass er sehr visuell ist und eine sehr innige Beziehung zum Kino hat. Der Protagonist Figur besessen von Robert De Niro in Hexenkessel, und er denkt ständig, dass die Figuren in Filmen perfekt, wir im wirklichen Leben hingegen nur schlechte Imitationen sind. Als ich das geschrieben habe, hatte ich sehr häufig bestimmte Filme im Kopf. Hauptsächlich Autorenkino, so wie Warhols Filme – deren Langsamkeit. Oder Tarkovsky und seine Besessenheit mit Texturen und Oberflächen – der würde die Kamera für sieben Minuten über eine verputzte Wand laufen lassen. Ich habe viel an das Kino gedacht, deshalb erschien es natürlich, dass der Roman adaptiert werden würde.

Sind Sie mit Kinofilmen aufgewachsen? Definitiv. Als ich 1991 in London lebte, verbrachte ich viel Zeit im Scala Kino, wo man drei Avantgardefilme für drei Pfund oder so was sehen konnte. Man konnte sogar für die nächsten drei drin bleiben – die haben einen nicht rausgeschmissen! Da konnte man trinken und rauchen während Resnais und Antonioni liefen!

Kannten Sie Omer Fast, als er begann, Ihr Buch zu adaptieren? Wir sind uns nur einmal sehr kurz begegnet. Omer war in einer Ausstellung im österreichischen Kulturinstitut in London, und ich hatte dort ein paar Monate vorher eine Art Künstlerresidenz. Wir haben uns bei der Eröffnung gesehen, aber ich kannte sein Werk und mochte es sehr. Ich liebe die Zwei-Leinwand-Installation Spielbergs Liste, wo er alle Statisten von Schindlers Liste interviewt. Seine Arbeit ging genau darum, worum es auch in dem Buch geht: Trauma, Vermittlung, Wiederholung, Wiederaufführung... Dann waren wir zusammen in einer Ausstellung über Wiederaufführungen in Berlin mit dem Titel History Will Repeat Itself. Ungefähr zu dieser Zeit meldete er sich, um zu sagen, dass er bei Remainder Regie führen wolle. Die Option dafür lag eigentlich bei jemand anderem. Glücklicherweise ist sie aber erloschen, sodass ich sie Omer geben konnte, als sie erneuert werden sollte.

Was sind die Hauptunterschiede zwischen dem Buch und dem Film? Was die Handlung betrifft, ist der Film ganz anders. Er hat die ganze Geschichte in die Parameter eines Thrillers, eines Banküberfallfilms gesetzt. Das Buch hat ja einen Raubüberfall, aber es ist nicht wirklich ein Krimi. Eine Rezension meinte, dass es keine Bösewichte außer Raum und Zeit gebe. Omers Film dagegen ist voller Ganoventum! Das ist eben filmisch – das sind die Parameter, innerhalb derer man arbeiten muss, um etwas umsetzen zu können. Es erinnert mich daran, was Terry Gilliam mit 12 Monkeys gemacht hat, was seine Adaption von Chris Marker’s Cine-Essay-Fotobuch – oder wie auch immer man es nennen will) – La Jetée ist: er hat das in ein viel handlungsgetriebeneres Ganzes eingesetzt, aber ich denke, das hat er richtig gut gemacht.